Regis­ter­me­thode 2.0 – Einige Über­le­gungen zur syndi­ka­lis­ti­schen Kampf­taktik.

Disclaimer vorneweg: Ich bin kein Program­mierer und habe bis heute nicht eine Zeile code selbst geschrieben, weshalb einige Gedan­ken­gänge nie umsetzbar wären.

Ich habe nachge­dacht. Mal wieder. Seid ein paar Tagen lässt mich die Idee einer techni­schen Aktua­li­sierung des Syndi­ka­lismus nicht mehr locker. Bzw. einer konkreten Taktik des Syndi­ka­lismus: Das Lohn- und Arbeits­re­gister.

Unter der sogenannten Regis­ter­me­thode wurde die lokale Erfassung aller Arbeits­re­le­vanten Daten innerhalb der an die Arbeits­börse angeschlos­senen Organi­sa­tionen verstanden. Damals wurde das i.d. Regel durch noch vorhandene Systeme der Haus- und Straßen­kas­sierung wöchentlich beim sogenannten Arbeits­nachweis gemacht. Jedes Mitglied der lokalis­ti­schen Gewerk­schaften war demnach wöchentlich gezwungen, seine aktuelle Arbeits­si­tuation gegen­über der Gewerk­schaft offen zu legen. Dies erfolgte gleich­zeitig mit der Kassierung der wöchent­lichen Mitglieds­bei­träge und Aushän­digung der Gewerk­schafts­zeitung. Über diese Art der Abfrage war der Gewerk­schaft ein wichtiges Instrument ihrer Arbeit gegeben: Sie wusste zu jedem Wochen­turnus den Kranken­stand in der Organi­sation, wie viel Stunden die Mitglieder gearbeitet haben, zu welchen Löhnen, wo Mitglieder im Streik sich befanden, wo Mitglieder entlassen wurden, wo Hilfs­zah­lungen notwendig waren und natürlich auch wo Verbes­se­rungen der Löhne im Bereich des möglichen waren. (Kurze Anmerkung, damals war eine Gewerk­schaft zumeist für einen Beruf vorhanden, die Gliederung in Branchen­ge­werk­schaften erfolgte erst nach dem 1. Weltkrieg, wo die Regis­ter­me­thode zumeist nicht mehr zur Anwendung kam).

Da die Gewerk­schaft eine Über­sicht hatte, wie die Stunden­löhne in einem Beruf in einem Lokalen Rahmen waren, konnten sie lokal für sich Lohnun­ter­grenzen praktisch festlegen, in dem beschlossen wurde, dass Mitgliedern verboten wurde, unter einem Bestimmten Lohn zu arbeiten. Wer es dennoch machte, hatte mit Diszi­pli­nar­ver­fahren zu rechnen, aller­dings waren die Hilfs­kassen auch so organi­siert, dass dies i.d.Regel nicht notwendig wurde. So konnten auch Verhand­lungen nach zeitlich begrenzten Tarif­ver­trägen umgangen werden, da sie durch direkte Ökono­mische Aktion nicht mehr notwendig wurden. (Beispiele sind hierfür die Fliesen­leger in Düsseldorf, oder die Textil­ar­beiter in Teilen Sachsens.) Als Erwei­terung des Registers war in vielen Arbeits­börsen auch ein Stellen­re­gister angeschlossen, das Genossen in Jobs verhalf, gerade in Zeiten der Schwarzen Listen (Nicht-Einstel­lungs­listen der Betriebe!) ein wichtiges Unter­stüt­zungs­werkzeug.

Heute wäre so etwas technisch wesentlich einfacher möglich und könnte Helfen, das (Stunden-)Lohnge­fälle von Freibe­rufler, Freelancer und anderen Schein­selbst­stän­digen zu minimieren.

Was ist dafür zu tun? Nun es gibt zwei für mich sehr wichtige Anfor­de­rungen an das System:
1. Es muss dezentral organi­siert sein
2. Es muss belastbar sein

Zu Punkt 1) Die Dezen­trale Organi­sierung hat folgenden Grund: $Struk­turen sind korrum­pierbar. Wenn das System nur auf einem Server liegt, kann es aus $Gründen abgeschaltet werden, oder noch schlimmer ab geschnor­chelt werden. Ich bin zwar dafür, die Daten anony­mi­siert als Open Data zu betreiben, aber dagegen Zentral­systeme zu betreiben. Repression ist nur das eine, auch Distri­bution. Wenn z.B. der Deutsche Gewerk­schaftsbund diese Idee gut findet, eine Instanz aufbaut und viele (TM) Menschen mitmachen, der DGB aber eines Tages beschließt, dieses System behindert seine Existenz, dann darf das System selbst nicht abschaltbar sein. Gerade aus dem Bereich Peer-2-Peer kennt die Netzge­meinde schon verteilte System und Daten­banken, auch hier müsste ein solches zum Tragen kommen. Am besten über Verifi­zierung in einem Trustnetz*. Eine der Schlimmsten Abhän­gig­keiten der Arbei­ter­be­we­gungen entstanden, als sie die Sozial­systeme – welche vorher selbst organi­siert waren (und durchaus Ineffi­zienz aufwiesen) – in staat­liche Hand über­eignet wurden.

Zu Punkt 2) Wenn das System wächst und an Brisanz zunimmt, dann wird es aus verschie­denen Bereichen beschossen werden, nicht nur von Anons, die meinen das Selbst­be­stim­mungs­recht wäre gefährdet (auch deshalb ist ein dezen­trales System notwendig), sondern auch Kapita­listen die die Dienst­leistung “Daten­ma­ni­pu­lation” als Geschäftsfeld entdecken werden (nicht so schlimm wie die Histo­rische Parallele Pisto­leros, aber genauso zerschießend!). Also muss es möglich sein, jeden Angestellten zu verifi­zieren, das kann über die Steuer­nummer sein, das kann aber auch ander­weitig z.B. über ein Trustnetz* möglich sein. Auch muss das System es aushalten sowohl 10k Leute als auch 10Mio Leute sich selbst organi­sieren zu lassen. Eine Verifi­zierung ist zwingend erfor­derlich, da der größte Schaden des Systems wäre, wenn seine Glaub­wür­digkeit, die Belast­barkeit der Daten selbst angegriffen werden kann.

Was stelle ich mir also vor (wenn es denn möglich ist):
Als Endan­wender habe ich mich am Anfang an einer noch nicht näher zu benen­nenden Stelle verifi­ziert, dass ich ich bin. Dann erhalte ich ein Client oder ein Dashboard, in dem ich meine Steuer­daten und ähnliches eingeben kann (Maschi­nen­les­barkeit herstellen!), auch die eigenen Vertrags­be­din­gungen als Angestellter (z.B. Festlegung der Arbeits­zeiten, Über­stun­den­re­ge­lungen etc.) sollten hinter­legbar sein. Für Freelancer natürlich das gleiche mit Werks­ver­trags­daten oder andere Vertrags­daten, die die Bedin­gungen festschreiben.
Wichtig wird jetzt natürlich eine Maske in der die geleistete Arbeitszeit eintragbar ist, sowie Pausen­zeiten, Stück­zahlen (Produ­zie­rendes Gewerbe), ect.pp.
Im Hinter­grund läuft der Abgleich bzw. Vergleich dieser Daten mit den anderen im System gemit­telten Daten. Wenn es bereits Verein­ba­rungen gibt, wie z.B. die Über­stunden geregelt sind, und man diese verletzt muss dem Endan­wender sowie der eventuell vorhan­denen Gewerk­schaft dies anzeigbar sein (Alert vielleicht?). Hier kann dann inter­ve­niert werden.
Die Daten werden im besten Falle via einem Peer-2-Peer Ansatz ausge­tauscht, am besten noch erweitert um einen Mesh-Ansatz, damit die Daten nicht zensierbar sind. Die Software muss API´s bieten, die offen und nachvoll­ziehbar ist, damit weitere Entwick­lungen program­mierbar sind. Über­haupt ist eine Grundlage der Software offener Quellcode und freie Lizenzen.

Ich hoffe die Ideenskizze war jetzt nicht zu wirr und ich bekomme Feedback zu den Ideen, Diskus­sionen bitte in den Kommen­taren oder auf Twitter @syndi­ka­lista.

*Trustnetz: Zunehmend geht die Zerti­fi­zierung für Webseiten weg von Zentralin­stanzen, die Zerti­ficate signen hin zu Trust­netzen, die sich gegen­seitig bestä­tigen “echt” zu sein.

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